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Montag, 04.07.2016
Nach einem knappen Jahr Funkstille möchte ich einen neuen Versuch starten und diesen Wochenbericht wieder aufleben lassen. Die wichtigsten Ereignisse können zwar komprimiert immer dem neuesten Rundbrief entnommen werden, aber hier kann ich doch einen kleinen Einblick in unseren manchmal abenteuerlichen, manchmal auch ganz banalen Alltag geben.
Mit einiger Verspätung und auch noch etwas zögerlich hat die diesjährige Regenzeit begonnen. Die sonst üblichen Stürme zu Beginn der Saison sind in diesem Jahr weitgehend ausgeblieben bzw. wohl nach Süddeutschland abgewandert, und wir haben größtenteils mittelmäßige Regenfälle ohne größere Winde. In den letzten 2-3 Jahren mussten wir aber einen deutlichen Rückgang der Niederschlagsmenge und ein verspätetes Einsetzen der Regenzeit beobachten, so dass die Brunnen immer öfter und immer früher austrocknen. Und so hatten wir uns Ende letzten Jahres dazu entschlossen, uns den Luxus eines Wasseranschlusses am Haus zu leisten. Die Wasserwerke hatten eine Sonderaktion ausgerufen, bei der die Anschlussgebühren auf weniger als die Hälfte des üblichen Preises reduziert waren, und so ließen wir uns vorne an der Hauptstraße einen Anschluss legen. Von dort legten wir dann selber die Rohre bis zu unserem Haus (ca. 200m), wo wir jetzt an der Innenseite der Außenmauer einen Wasserhahn haben. Die Wasserwerke hätten uns den Anschluss natürlich auch ans Haus gelegt, aber das hätte den vierfachen Preis gekostet, und so haben unsere Jungs den Graben ausgehoben und der Klempner die Rohre gelegt. Wer aber denkt, wir hätten jetzt endlich sauberes Wasser, der irrt. Das Wasser kommt vom völlig verunreinigten Fluss hier in der Nähe, wird gefiltert und mit vielen Chemikalien aufbereitet. Es riecht wie Wasser aus dem Schwimmbad und ist an manchen Tagen so trüb, dass man den Boden des Eimers nicht sehen kann. Für das Trinkwasser und zum Kochen nehmen wir deshalb weiterhin Wasser aus unserem Brunnen. Doch da wir für alles Weitere jetzt Leitungswasser nehmen können, ist die Wasserversorgung für alle Bedürfnisse wenigstens ganzjährig gesichert.

 
 
Sonntag, 10.07.2016
Was tut man für den kleinen Hunger zwischendurch? Man isst Gari. Gari wird aus der Maniokknolle gewonnen, in einem komplizierten Verfahren von Einweichen, Fermentieren, Trocknen, Raspeln und leichtem Anbraten. Am Ende kommt dabei ein weißes Pulver heraus, das ein bisschen wie Parmesankäse aussieht (aber sonst keinerlei Ähnlichkeit damit hat!). Es ist ziemlich unbegrenzt haltbar und kann in kleinen Tütchen abgepackt überall gekauft werden. Zum Verzehr wird es dann einfach in kaltes Wasser eingeweicht, wodurch es ordentlich aufquillt und somit schnell den Bauch füllt. Normalerweise gibt man Zucker hinzu, manchmal auch Erdnüsse. Ich mag es überhaupt nicht, aber viele Menschen (besonders diejenigen die nicht kochen können oder wollen) essen Gari regelmäßig, manchmal sogar als richtige Mahlzeit. Ansonsten ist es wie gesagt eine schnelle Lösung für den Hunger zwischendurch, auf dem Feld oder auf der Baustelle. Die Kinder sind auf jeden Fall alle ganz scharf drauf.

 
 
 
Freitag, 15.07.2016
Diese Woche wurden die Hochschul-Prüfungsergebnisse 2016 bekanntgegeben. Jedes Jahr gibt es neben den ganz normalen Klassenarbeiten, die über die Versetzung entscheiden, drei Abschlussprüfungen auf unterschiedlichem Niveau. Die erste ist das sogenannte CEP (Certificat d’étude primaire) am Ende der sechsjährigen Grundschule. Mit diesem Abschluss ist für den, der möchte oder für den, der sich die weiterführende Schule nicht leisten kann die Schulkarriere zu Ende. Gesetzliche Schulpflicht besteht in Benin nur für die Grundschule. Dieses Jahr haben landesweit nur 39,26% diese Prüfung bestanden (im letzten Jahr waren es noch 89,1%). Unsere Region, Atakora, hat wenigstens hier den ersten Platz gemacht, mit 48,29%. Die zweite Prüfung ist das BEPC (Brevet d’études du premier cycle), sie entspricht unserer Mittleren Reife und wird nach 4 Jahren Collège absolviert. Hier war das Ergebnis katastrophal mit landesweit nur 16% und Atakora als absolutem Schlusslicht mit 11,98%. Mit anderen Worten: 4 von 5 Schülern müssen diese Prüfung und damit auch die Klassenstufe wiederholen! Gestern schließlich wurden die Ergebnisse des BAC (Baccalauréat) bekanntgegeben, vergleichbar mit unserem Abitur nach 7 Jahren Collège. Das lag wieder etwas besser mit 30,18%, aber Atakora war auch hier im hinteren Viertel mit 22,34%.
Die Gründe für die schlechten Ergebnisse sind meiner Meinung nach vielschichtig. Auf Seiten der Schule haben wir zumindest bei den öffentlichen Schulen das Problem der Klassengröße, 60-80 Schüler pro Klasse sind Standard. Schulbücher sind praktisch nicht vorhanden und der Unterricht besteht oft ausschließlich darin, dass der Lehrer die Tafel vollschreibt und die Schüler das Ganze abschreiben und dann zuhause auswendig lernen. Für Verständnisfragen und Anwendung des Gelernten bleibt keine Zeit. Dann lässt auch das Engagement der Lehrer sehr zu wünschen übrig und es gibt enorm viele Fehlzeiten. Auf Seiten der Schüler müssen wir aber auch beobachten, dass das Lernen nicht gerade oben auf ihrer Liste steht. Wir hatten vor den Prüfungen wieder Lerngruppen organisiert, zum Teil mit kompetenten Nachhilfelehrern, doch das Angebot wurde nur sehr spärlich angenommen. Natürlich ist das auch nicht so leicht, wenn man jeden Tag Mittagschule hat, oft bis 19h, und der ständige Hunger tut sein Übriges. Trotzdem sind die Ergebnisse niederschmetternd, weil damit auch der Kreislauf von Armut und Perspektivlosigkeit weitergeht. Die Kinder aus höheren Einkommensschichten gehen auf Privatschulen, wo die Erfolgsaussichten wesentlich höher sind. Sie haben oft ihren persönlichen Nachhilfelehrer, müssen im Normalfall in ihrer schulfreien Zeit keine schweren Arbeiten verrichten und auch keinen Hunger schieben. Und so sind sie vielleicht schon im zweiten Jahr an der Universität, während ihre Altersgenossen aus ärmeren Schichten den dritten Anlauf für die mittlere Reife nehmen...